Wenn mir ein Kunstwerk gefällt, frage ich mich: „Was gefällt mir daran?“ Gibt es bestimmte Merkmale und Eigenschaften, die ich wieder und wieder erkenne? Oder ist es reine Intuition, eine Reaktion auf etwas Seelisches, etwas, das ich nicht greifen und benennen kann? Darüber handelt dieser Artikel. Über ästhetische Kunst. Über das Verlangen nach Schönheit, wie sich Schönheit in Kunst verwandelt und wie objektive Kriterien helfen können, die eigene Sprache der Seele zum Ausdruck zu bringen.
Ästhetische Kunst erfüllt keinen Zweck
Für mich ist das Schöne an Kunst, dass sie keinen Zweck erfüllt. Sie muss es nicht, sie darf einfach nur schön sein und im Herzen wirken. Im Gegensatz dazu erfüllt Praktisches (wie ein Schraubenzieher oder Schuhanzieher) einen Zweck, häufig sind diese Dinge aber nicht schön. Kunst erlaubt uns, die Schönheit ins eigene Leben einzuladen, ohne Grund, einfach weil ästhetische Kunst die Seele nährt.
Doch dabei ist Kunstempfinden sehr individuell. Ob wir ein Kunstwerk mögen oder nicht hängt von unseren Vorlieben und Erfahrungen ab. Kunst kann als Erinnerung dienen, wer wir sind oder sein möchten. Wenn wir uns Kunst aufhängen, die uns gefällt, kommunizieren wir durch dieses Bild unsere eigene Sprache des Herzens oder wie der libanesischer Künstler und Dichter Khalil Gibran sagt: „Schönheit ist das, was deine Seele anzieht.“
Die Schönheit von Kunst liegt im Auge des Betrachters. Egal wie individuell, verrückt, banal, exotisch oder andersartig ein Kunstwerk ist, es wird immer Menschen geben, die in Resonanz gehen, die sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen damit verbunden fühlen. Ein solches Kunstwerk – egal wie die akademische Kunstwelt darauf reagiert – kann Heilung bringen, Freude schenken und zum Nachdenken anregen. In der Verbindung zur Kunst kann der eigentliche Sinn liegen. Im Verweilen, im Sinnieren, im Sich-darin-verlieren.
„Die Aufgabe des Künstlers besteht darin, das darzustellen, was sich zwischen dem Objekt und dem Künstler befindet, nämlich die Schönheit der Atmosphäre.“ — Claude Monet
Künstler streben nach Ästhetik
Wie unsere Vorfahren, die danach strebten, symmetrisch perfekte Steinblöcke zu hauen oder die Vasen und Krüge mit Naturpigmenten zu bemalen, streben auch wir nach Schönheit. Wir möchten das, was wir als Schönheit in der Welt entdecken mit anderen teilen, vielleicht weil andere Menschen selbst keinen Zugang dazu haben.
Das ist die Gabe des Künstlers, die Schönheit der Dinge für andere Menschen sichtbar zu machen. Dabei kann die sichtbare Schönheit gemeint sein, aber auch die unsichtbare Schönheit. Die Schönheit, die ein lachender Mensch versprüht, die übersinnliche Schönheit einer Rose oder der magische Tanz der Schmetterlinge.
Das künstlerische Handwerk hilft uns dabei, die Schönheit zum Ausdruck zu bringen. Indem wir uns der Kunstpraxis hingeben, werden wir früher oder später unsere Sprache der Schönheit entdecken. Intuitiv erforschen wir Techniken und Stile, die uns helfen, das zum Ausdruck zu bringen, was wir im Herzen fühlen.
Folgende Merkmale prägen ästhetische Kunst:
Nummer 1: Gefühl prägt ästhetische Kunst
Für mich gilt: Gefühl über Verstand. Wenn wir als Künstler*innen in der Lage sind, uns selbst und das Ego beim Malen zu vergessen, kann die simpelste Skizze und die einfachste Malerei purer Zauber sein. Es braucht nicht viel, um ein Gefühl auf Papier oder Leinwand zu bannen, es braucht ein weit offenes Herz, Intuition und Mut. Ganz anders der Verstand. Er hilft uns zwar, Entscheidungen zu treffen, abzuwägen und zu analysieren, doch der Verstand kann Kunst zu Tode optimieren, der Verstand kann Kunst zerdenken und dann geht das Wesentliche, das, was wir zum Ausdruck bringen wollten, verloren. Ein komplexes Leinwandbild, das über Wochen gemalt wurde, kann demzufolge weniger schön sein, weniger in Resonanz gehen, als eine simple Skizze, die in wenigen Minuten mit Pinsel und Wasserfarbe geboren wurde.
Nummer 2: Komposition hält den Rahmen
Stelle dir die Frage: „Was hält dich in deinem Kunstwerk?“ Würdest du dich in einem Zimmer wohlfühlen, in dem alle Möbel in nur einer Ecke stehen und wo der restliche Raum leer ist? Bei der Komposition geht es immer um Ausgewogenheit, Balance und Ordnung. Der menschliche Geist empfindet das als schön, worin er sich sicher und gehalten fühlt. Der goldene Schnitt ist das beste Beispiel für eine klassische Proportion, die von vielen Menschen als schön wahrgenommen wird.
Nummer 3: Symmetrie sorgt für Ordnung
Symmetrie (aus dem Griechischen: »Spiegelungsgleichheit«) gilt als wesentliches Merkmal von Schönheit und Harmonie. Forschungen zeigen, dass besonders symmetrische Gesichter, die Anziehungskraft erhöhen. Das Prinzip der Symmetrie ist ebenso in der Natur, bei Pflanzen und Tieren zu beobachten. Doch weshalb empfinden wir das Prinzip der Gleichheit als schön? Es scheint nicht an der Gleichheit der Teile zu liegen, sondern vielmehr an der Schönheit des Gesamtbildes.
Die Heilige Geometrie ist ein spannendes Feld, mit dem ich mich persönlich in Zukunft noch näher beschäftigen möchte. Ich würde meine Kunst als wenig symmetrisch bezeichnen, jedenfalls ist Symmetrie nichts, was auf natürliche Weise bei mir zum Ausdruck kommt. Vielmehr spielt in meiner Kunst die Lebendigkeit eine Rolle, das irdische Spiel der Dualität, wo ich direkt beim nächsten Punkt wäre.
Nummer 4: Kontraste sorgen für Spannung
Mit Kontrasten gehe ich persönlich stark in Resonanz, da mich das Prinzip von Yin und Yang inspiriert und bewegt. Wir leben in einer dualen Welt, in der Welt der Gegensätze. Wir erleben Tag und Nacht, Geburt und Tod, Wärme und Kälte. Als Menschen bewegen wir uns immer zwischen den Polen, nur die Erleuchtung des Geistes kann uns aus der Dualität befördern. Kontraste erzeugen Spannung wie beim Strom, der aus Plus und Minus gespeist wird. Kontraste lassen sich in der Kunst auf vielfältige Weise erzeugen. Es gibt Farbkontraste, Größenkontraste, Hell- und Dunkelkontraste, Kontraste der Textur sowie räumliche Kontraste. In meinem Online Malkurs „Mein innerer Garten“ erforschen wir sehr stark die Welt der Kontraste.
Gratis Malübung zum Erforschen von Kontrasten findest du hier auf meinem Youtube-Kanal.
Nummer 5: Farben kommunizieren Gefühle
Egal ob Blau, Rot, Gelb, Grün, Orange oder Violett – jede Farbe besitzt eine Schwingung und kommuniziert mit dem menschlichen Geist. Die Reduktion von Farben kann ein bewusstes Stilmittel sein, ebenso wie die Kombination von vielen verschiedenen Farbtönen. Farben führen den Betrachter durch das Bild, halten die Balance, erzeugen Spannung oder beruhigen den Geist.
Das Malen mit Farben erfordert Gefühl, Weitblick und ein gewisses Maß an Übung. Künstler, die die Wirkung von Farben verstehen und gleichzeitig mit dem Herzen fühlen, wählen intuitiv die richtigen Farben beim Malen ihrer Kunstwerke.
Welche Merkmale verbindest du mit ästhetische Kunst? Teile deine Gedanken super gerne in den Kommentaren! Danke!
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