Kennst du das? Die Hand verkrampft beim Gesichter zeichnen. Das Zeichenpapier hat sich durch das Rubbeln mit dem Radiergummi schon fast in Luft aufgelöst. Du bist kritisch mit dir selbst. Nie gelingt dir ein Gesicht, womit du zufrieden bist. In diesem Artikel möchte ich dir erklären, wie es dir gelingt, auf intuitive und spielerische Art und Weise Gesichter zu zeichnen. Das macht nicht nur Spaß, sondern du erforschst nebenbei deinen persönlichen Stil. Los geht’s!
Gesichter zeichnen – so geht’s!
In den letzten Jahren habe ich mir viel Freiraum gegeben, Gesichter zu erforschen, sie aus meiner Vorstellungskraft heraus intuitiv zu zeichnen. Eigentlich sollte es doch das leichteste der Welt sein, ein Gesicht zu zeichnen? Wir sehen Gesichter jeden Tag. Wenn wir in den Spiegel schauen, wenn wir in das Gesicht unserer Eltern, Kinder und Freunde schauen. Wenn wir in der Bahn sitzen oder wenn uns Menschen auf der Straße begegnen. Wir sehen Gesichter sogar in Wolken und Felsen. Oder wenn wir auf dem Klo sitzen, entdecken wir Gesichter am Fußboden, auf den Fliesen.
Gesichter sind allgegenwärtig in unserem Leben und gerade weil wir genau wissen, wie Gesichter aussehen, fällt es uns so schwer, sie zu zeichnen. Der innere Kritiker wird laut, wenn die Symmetrie nicht stimmt, wenn ein Auge minimal größer ist als das Andere, wenn die Nase zu lang oder zu kurz ist.
Beim realistischen Zeichnen verkrampft die Hand am meisten. Wir wollen das Gesicht perfekt machen. Nach jedem zweiten Strich geht die Hand zum Radiergummi. Weg damit. Und nochmal. Wir radieren und überzeichnen bis das Papier an seine Grenzen kommt. Irgendwann sind wir frustriert und geben auf.
Doch vielleicht auch nicht. Vielleicht hast du auch schon gute Erfahrung mit dem Zeichnen von realistischen Porträts gemacht, möchtest dich aber gerne davon lösen. Du möchtest, dass deine Zeichnungen und Malereien freier und intuitiver werden. Du wünschst dir mehr Gefühl und mehr Ausdrucksstärke. Du sehnst dich nach deinem eigenen Stil.
Gefühl über Perfektion
Mein Motto beim Gesichter zeichnen ist immer: Gefühl über Perfektion. Gefühl über Realismus. Gefühl über „so muss es sein“. Doch gar nichts muss sein. Es darf leicht sein.
Gewinne Übung im Zeichnen von Gesichtern, indem du sie studierst und dich an Vorlagen orientierst aber löse dich Stück für Stück davon. Schließe die Augen, stelle dir einen Menschen vor, fühle dich ihn diesen Menschen und in sein Gesicht hinein und dann zeichne ganz frei, aus dir heraus.
Wie du ein realistisches Gesicht zeichnen kannst
Die besten Resultate wirst du beim Zeichnen intuitiver Gesichter haben, wenn du dir Zeit nimmst, auch mal realistische Gesichter zu üben. Im Folgenden erkläre ich dir, wie du anhand von Hilfslinien ein anatomisch korrektes Gesicht zeichnest und danach kommt der verspielte Teil, wo du lernst, auf intuitive Weise mehrere Gesichter zu zeichnen. Durch den Wechsel von “realistischer Zeichnung” und “abstrakter Darstellung” entdeckst du mit der Zeit, worin deine persönliche Stärke liegt und erkennst, wie du, mit deiner Note, Gefühle und Bildbotschaften zum Ausdruck bringen kannst.
Starten wir mit dem realistischen Gesicht. Ich erkläre dir Schritt für Schritt, wie du dieses zeichnest. Verwende zunächst einen schwachen Bleistift, um Linien anzudeuten. Wenn die Proportionen sitzen, kannst du die Linien mit einem starken Bleistift nachziehen.
Schritt 1 – Kreis zeichnen
Zeichne in die Mitte deines Blattes einen Kreis. Zeichne diesen Kreis ganz schnell und locker aus dem Handgelenk. Du kannst mehrere Runden drehen bis du das Gefühl hast, einen schönen runden Kreis gezeichnet zu haben. Da Gesichter niemals kugelrund sind, zeichnest du am unteren Ende deines Kreises eine Verlängerung, also das Kinn. Beim Kinn kannst du entscheiden, wie die Kopfform später sein soll, ob das Gesicht mehr eckig, rund oder oval ist. Orientiere dich an Fotos und Vorlagen, wenn du an dieser Stelle unsicher bist oder schaue einfach in den Spiegel.
Schritt 2 – Hilfslinien anlegen
Nun kommen zwei erste Hilfslinien ins Spiel. Teile das Gesicht mit einer vertikalen Linie sowie mit einer horizontalen Linien. Die vertikale Linie läuft entlang der Nase und teilt das Gesicht in zwei symmetrische Teile. Auf der horizontalen Linie liegen die Augen.
Schritt 3 – Haaransatz andeuten
Zeichne eine weitere horizontale Linie, die den Haaransatz andeutet. Je nach Größe deiner Zeichnung sind das in etwa 10% der Kopflänge.
Schritt 4 – Nasenspitze und Nasenlöcher
Halbiere den unteren Teil deiner Zeichnung mit einer dritten horizontalen Linie. Auf dieser Linie befinden sich die Nasenspitze sowie die Nasenlöcher, die du schon einmal andeuten kannst.
Schritt 5 – Den Mund zeichnen
Halbiere das untere Viertel mit einer vierten horizontalen Linie. Oberhalb dieser Linie befindet sich der Mund, den du nun zeichnen kannst.
Schritt 6 – Augen und Augenbraue
Zeichne (leicht angedeutet) auf der mittleren horizontalen Ebene zwei runde Kreise, hier werden die Augen entstehen. Am oberen Ende der Kreise kannst du die Augenbrauen zeichnen. Danach zeichnest du die Augen jeweils links und rechts auf die horizontale Linie. Die grobe Form der Augen ähnelt einer Mandel, die du jetzt zeichnen kannst. Wenn du wenig Erfahrung im Zeichnen von Augen hast, orientiere dich an einer Vorlage oder wirf einen Blick in den Spiegel. Als Faustregel kannst du dir merken, dass der Abstand zwischen den Augen so groß ist wie ein Auge.
Schritt 7 – Augen zeichnen
Arbeite nun an den Augen. Füge Augenlider hinzu für einen entspannten Blick, ggf. leichte Augenringe unterhalb der Augenform. Zeichne danach die Iris in das Auge sowie die Pupille, die du gleich schwarz füllen kannst. Füge leichte Wimpern hinzu, wenn du möchtest. Kleiner Hinweis: Wenn du die Pupillen mit den Mundwinkeln mit einer geraden vertikalen Linie verbinden kannst, hast du die richtige Position für die Augen gefunden.
Schritt 8 – Nasenflügel zeichnen
Zeichne die Nasenflügel und deute ganz leicht den Verlauf der Nasenkante an. Arbeite hier mit leichten Schattierungen, ansonsten sieht dein Gesicht schnell unnatürlich aus.
Schritt 9 – Ohren zeichnen
Nun kommen die Ohren ins Spiel. Die Oberkante der Ohren liegt auf Höhe der Augenbrauen und die Unterkante der Ohren auf Höhe der Nasenspitze. Die Ohren verlaufen parallel zur Kopfform und stehen leicht ab.
Schritt 10 – Hals zeichnen
Nun kannst du den Hals andeuten oder auch bis zur Schulter zeichnen. Der Hals ist schmaler als das Gesicht, als Orientierung kannst du dir das äußere Ende der Augen merken.
Schritt 11 – Haare zeichnen
Als letztes kannst du nun die Haare zeichnen. Auch hier kannst du dich an Vorlagen orientieren.
Schritt 12 – Gesicht zeichnen
Nun fügst du letzte Details hinzu, die das Gesicht besonders prägen. Dazu gehören Falten, Sommersprossen und andere Merkmale.
5 Tipps fürs intuitive Gesichter zeichnen
Tipp Nummer 1: Schau genauer hin
Wie bereits erwähnt: Nimm‘ dein Umfeld genauer wahr. Wenn du in ein Gesicht schaust, studiere es. Welche Merkmale machen das Gesicht besonders? Wo fällt Licht und Schatten? Wie würdest du das Gesicht jetzt zeichnen, wenn du könntest. Und wenn du die Möglichkeit hast, dann zeichne es.
Tipp Nummer 2: Zeichne locker und ohne Radiergummi
Tanze über dein Papier, indem du ganz leicht und locker mit dem Gesichter zeichnen beginnst. Zeichne leichte, sanfte Linien mit dem Bleistift, um erstmal in den Flow zu kommen. Beginne niemals bei den Details, sondern bekomme ein Gefühl für das Große und Ganze. Nimm auch etwas Abstand von deinem Bild, um dich nicht darin zu verlieren.
Tipp Nummer 3: Zeichne gleich mehrere Gesichter
Leg‘ dir direkt eine Gesichterstudie an und zeichne gleich mehrere Gesichter. So kannst du experimentieren, mutig und wild drauf los zeichnen. Du kannst Gesichter aus verschiedenen Perspektiven zeichnen, unterschiedliche Merkmale testen. Wenn du mehrere Gesichter zeichnest, ist der Druck nicht so hoch. Klar, es wird Gesichter geben, die dir nicht gefallen. Aber meistens ist ein Gesicht dabei, wo dir der Ausdruck gefällt und wo ein Gefühl rüberkommt.
Tipp Nummer 4: Orientiere dich an 2 Hilfslinien
Ich arbeite immer mit 2 Hilfslinien. Eine Linien trennt das Gesicht vertikal in zwei Hälften. Die andere liegt auf der Höhe der Augen. Diese Linien helfen dir, dich grob zu orientieren. Bedenke, dass das Gesicht eine runde Form hat und wie bei einer Kugel neigen sich die Linien, je nach Perspektive. Hier ist es hilfreich, wenn du dir Zeit nimmst, eine realistische Zeichnung von einem Gesicht zu machen. Da findest du genügend Tutorials bei YouTube.
Tipp Nummer 5: Fühl dich in das Gesicht hinein
Vermutlich der wichtigste Tipp ist, dass du fühlst, was du zeichnest. Das gilt eigentlich bei allen Mal- und Zeichenprojekten. Fühle. Wenn du zu verkopft bist, dann nimm‘ dir erst den Moment, die Augen zu schließen. Du möchtest ein trauriges Gesicht malen, dann fühle die Traurigkeit in dir. Was passiert mit deinem Gesicht? Wenn du ein überraschtes Gesicht zeichnen möchtest, dann stell dir vor, jemand würde dir sagen, dass du im Lotto gewonnen hast. Du bist wütend? Fühl die Wut, den Zorn, den Ärger.
Mein Fazit zum Gesichter zeichnen
Gesichter zeichnen darf einfach sein. Nutze die Möglichkeit, einmal ein realistisches Gesicht zu zeichnen. Anleitungen gibt es genug. Doch löse dich auch davon, damit du deine Vorstellungskraft, deine Künstler Essenz zum Ausdruck bringen kannst und nicht das, was in den Lehrbüchern steht. Ich wünsche dir Viel Freude beim Erforschen von Gesichtern, Emotionen und wahrer Ausdrucksstärke.
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